Mehr Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten, sowie Drogen- und Gewaltdelikten
Im Jahr 2019 wurden in Baden-Württemberg 109 8001 Personen vor Gericht schuldig gesprochen. Gegenüber 2018 waren dies fast 5 100 Verurteilte oder 4,8 % mehr. Damit nahm die Zahl der Verurteilungen nach einem seit dem Jahr 2008 bis 2017 zu beobachtenden rückläufigen Trend nunmehr bereits im zweiten Jahr in Folge wieder zu. Wie das Statistische Landesamt weiter mitteilt, war der Anstieg der Schuldsprüche in allen Altersgruppen festzustellen. Dabei lag der Zuwachs in der Gruppe der Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren und bei den Erwachsenen der Altersgruppe 21 Jahre und älter mit jeweils +4,9 % deutlich über dem der Heranwachsenden im Alter von 18 bis unter 21 Jahren mit +3,7 %. Insgesamt wurden 4 300 Jugendliche, 9 000 Heranwachsende und 96 500 Erwachsene rechtskräftig verurteilt.
Nach den Ergebnissen der Strafverfolgungsstatistik mussten sich im Jahr 2019 insgesamt 129 300 Personen vor einem Strafgericht verantworten. Für 19 400 oder 15 % von ihnen endete das Verfahren nicht mit einer Verurteilung, sondern mit der Einstellung (16 400 Fälle) oder aber mit Freispruch (2 900 Fälle)2. Die Verurteiltenquote, also der Anteil der Verurteilten an der Gesamtzahl aller von den Gerichten abgeurteilten Personen, betrug 85 %.
Verurteiltenhäufigkeit in allen Altersgruppen höher als im Vorjahr
Informationen zur Zahl der Verurteilten sowie deren Entwicklung im Zeitverlauf sind gesellschaftspolitisch von besonderer Bedeutung. Allerdings ist bei der Auswertung der Daten zu beachten, dass die Zahl der Gerichtsverfahren durch eine ganze Reihe von Faktoren beeinflusst wird. Dies können beispielsweise mögliche Änderungen im Anzeigeverhalten, der Erfolg der Ermittlungsbehörden und von Projekten der Kriminalprävention sowie mögliche Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und/oder der Sanktionierungspraxis der Gerichte und Staatsanwaltschaften sein.
Ganz entscheidend für die Beurteilung der Kriminalitätsbelastung ist aber auch die demografische Struktur und vor allem die Entwicklung der Bevölkerung. Um den Einfluss der demografischen Entwicklungen auf die Verurteiltenzahlen auszuschließen, wird eine demografiebereinigte Verurteiltenhäufigkeit (Verurteiltenziffer) berechnet, bei der die Zahl der Verurteilten auf die Personen der jeweiligen Bevölkerungsgruppe bezogen wird. Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren bleiben unberücksichtigt, da diese nicht strafmündig sind. Aus dem Ergebnis der Strafverfolgungsstatistik zeigt sich, dass im Berichtsjahr 2019 auch die Verurteiltenhäufigkeit gegenüber dem Vorjahr weiter angestiegen ist, und zwar um 4,5 % auf 1 141. Anders ausgedrückt heißt dies, dass 2019 von jeweils 100 000 Personen im Alter von mindestens 14 Jahren 1 141 Personen wegen einer Straftat verurteilt wurden, das waren 49 Verurteilte mehr als im Jahr 2018. Im Vergleich zum Anstieg der Verurteiltenzahl (+4,8 %) fiel der Zuwachs der Verurteiltenhäufigkeit etwas schwächer aus, weil die Bevölkerung im strafmündigen Alter, also die Bezugszahl zur Berechnung der Verurteiltenziffer, leicht zugenommen hat. In der Altersgruppe der Jugendlichen war der Zuwachs der Verurteiltenziffer mit 7,1 % auf 997 am stärksten. Bei den Heranwachsenden nahm die Ziffer um 6,5 % auf 2 422 zu und bei den Erwachsenen um 4,4 % auf 1 094.
Im Ergebnis haben sich damit die Verurteiltenziffern im Jahr 2019 in allen Altersgruppen erhöht. In der Altersgruppe der Heranwachsenden war die Verurteiltenziffer nach wie vor mit Abstand am höchsten. Die Verurteiltenziffer der Jugendlichen war bereits seit 2014 niedriger als bei den Erwachsenen.
Von den insgesamt 109 800 Schuldsprüchen im Jahr 2019 wurden rund 89 800 gegen Männer und 20 000 gegen Frauen ausgesprochen. Gegenüber dem Vorjahr erhöhte sich die Zahl der Schuldsprüche gegen Männer um 4,7 % (+4 000 Verurteilte) und bei den Frauen um 5,4 % (+1 000 Verurteilte). Die Frauenquote unter den Verurteilten betrug 18,2 %. Nicht einmal jeder fünfte ausgesprochene Schuldspruch betraf eine Frau.
Verurteiltenzahl bei Nichtdeutschen stärker gestiegen als bei Deutschen
Unter den insgesamt 109 800 gerichtlichen Verurteilungen entfielen 46 000 auf Personen, die keinen deutschen Pass besaßen, das waren 6,7 % bzw. 2 900 Schuldsprüche mehr als im Jahr 2018. Die Zahl der deutschen Verurteilten nahm im gleichen Zeitraum um 3,5 % oder 2 100 Verurteilte auf 63 800 zu. Der Anteil der nichtdeutschen Verurteilten an den Verurteilten insgesamt stieg von 41,2 % im Jahr 2018 auf nunmehr 41,9 %.
Unter den Nichtdeutschen war der Zuwachs in der Altersgruppe der Erwachsenen mit +7,3 % mit Abstand am größten, gefolgt von den Heranwachsenden mit einem Plus der Verurteilten von 2,8 %. Bei den nichtdeutschen Jugendlichen war dagegen ein leichter Rückgang der Schuldsprüche um 0,1 % zu beobachten.
Bei den Deutschen nahm die Zahl der Verurteilungen in allen Altersgruppen zu, allen voran bei den deutschen Jugendlichen mit +6,5 %. Bei den Heranwachsenden betrug der Zuwachs +4,3 %, bei den Erwachsenen + 3,2 %. Berücksichtigt man die Bevölkerungsentwicklung (nichtdeutsche strafmündige Wohnbevölkerung: +2,8 %, deutsche strafmündige Wohnbevölkerung: −0,1 %) und berechnet für die Verurteilten insgesamt die demografiebereinigte Verurteiltenhäufigkeit, so erhöhte sich diese 2019 gegenüber dem Vorjahr bei den nichtdeutschen Verurteilten um 3,8 %. Bei den deutschen Verurteilten lag der Zuwachs mit 3,7 % leicht darunter.
Mehr Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten, sowie Drogen- und Gewaltdelikten
Die Verurteilungen konzentrieren sich seit Jahren im Wesentlichen auf nur fünf Straftatengruppen. So wurden im Jahr 2019 von den insgesamt 109 800 Verurteilungen 26 800 oder 24,4 % wegen Straßenverkehrsdelikten ausgesprochen. 20 100 Verurteilungen (18,3 %) gab es in der Deliktgruppe Betrug und Untreue3, 15 500 Schuldsprüche (14,1 %) ergingen wegen Diebstahls und weitere 11 100 (10,1 %) wegen Drogendelikten. Auf die unter den fünf Straftatengruppen kleinste Gruppe der Gewaltdelikte entfielen 3 900 Verurteilungen (3,6 %). Im Vergleich zum Vorjahr nahm im Jahr 2019 die Zahl der Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten mit +1 700 Fällen (+6,9 %) zahlenmäßig am stärksten zu. Einen Zuwachs gab es ebenfalls bei den Schuldsprüchen wegen Drogendelikten (+1 200 Fälle, +11,9 %) und wegen Gewaltdelikten (+140 Fälle, +3,8 %). In den Deliktgruppen Betrug und Untreue (−150 Fälle, −0,8 %) sowie Diebstahl (−110 Fälle, −0,7 %) war dagegen ein Rückgang der Verurteilungen zu beobachten.
Geldstrafe mit Abstand am häufigsten verhängt
Bei den insgesamt 109 800 Schuldsprüchen im Jahr 2019 wurde in 87 700 Fällen oder 79,8 % eine Geldstrafe verhängt. 15 300 Personen oder 13,9 % wurden zu einem Freiheitsentzug in Form einer Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt. Davon setzten die Gerichte gut 10 500 zur Bewährung aus, sodass letztlich rund 4 800 Verurteilte oder 4,3 % aller Verurteilten nach dem Schuldspruch eine Gefängnisstrafe in Form einer Freiheits- oder Jugendstrafe antreten mussten. Bei den übrigen fast 6 900 Verurteilten oder 6,3 % wurden vor allem Verwarnungen oder Jugendarrest sowie Erziehungsmaßregeln wie die Erbringung von Arbeitsleistungen oder die Unterbringung in einem Heim angeordnet.
Fast 79 % der Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht erfolgten ohne Gerichtsverhandlung
Von den im Jahr 2019 insgesamt 101 300 Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht wurden 79 900 oder 78,8 % durch Strafbefehl ohne Einspruch des Beschuldigten, also ohne mündliche Gerichtsverhandlung, verhängt4. Von diesen wurden 78 900 Personen oder 98,7 % zu einer Geldstrafe verurteilt. Strafbefehle, bei denen eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr auf Bewährung ausgesprochen wurde, waren mit insgesamt 1 000 Fällen oder 1,3 % aller Strafbefehlsverfahren ohne Einspruch deutlich seltener.
Am häufigsten wurden die Geldstrafen wegen Vermögens-, Eigentums- und Urkundendelikten5 (31 200 Fälle) verhängt, so beispielsweise wegen Diebstahls6 (10 200 Fälle), des Erschleichens von Leistungen7 (8 300 Fälle) oder wegen Betrugs8 (7 700 Fälle). Bei Strafbefehlen, bei denen eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf Bewährung ausgesprochen wurde, handelte es sich im Wesentlichen ebenfalls um Verurteilungen wegen Vermögens-, Eigentums- und Urkundendelikten5 (420 Fälle), aber im weiteren auch um Strafbefehle wegen Straftaten gegen die Person wie beispielsweise Körperverletzung9 (180 Fälle).
Die Besonderheit des im deutschen Recht verankerten Strafbefehlsverfahrens liegt darin, dass es ein vereinfachtes Verfahren ist, in dem das Gericht ohne mündliche Hauptverhandlung entscheidet und das Urteil durch einen schriftlichen Strafbefehl dem Beschuldigten zustellt. Voraussetzung dafür ist die Anwendung des allgemeinen Strafrechts. Gegen einen vom Gericht erlassenen Strafbefehl kann der Angeklagte immer Einspruch einlegen und auf diese Weise erreichen, dass doch eine Hauptverhandlung durchgeführt wird. Allerdings ist das Gericht dann nicht an die Strafen aus dem Strafbefehl gebunden. Legt der Angeschuldigte keinen Einspruch ein, steht der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich. Durch Strafbefehl können nicht alle Delikte geahndet werden, sondern nur Vergehen der sogenannten leichten Kriminalität10.